Die fünf Dimensionen der SYSTHAT-Pentalogik/Teil 1: Woher kommen wir – unsere Historie?
Menschen als Individuen selbst oder Arbeitsorganisationen als arbeitsteiliger Zusammenschluss einzelner solcher sind sozial komplexe Systeme. Unsere DNA wird bereits vor unserem Wirken auf dieser Welt festgelegt, unsere Grundwerte im ersten Familiensystem in den ersten Lebensjahren vom Elternsystem geprägt. Das sind wir, so sind wir, daher kommen wir. Unveränderbar. Arbeitsorganisationen funktionieren dem Grunde nach gleich. Es waren am Anfang EigentümerInnen, die eine Vision hatten, daraus vielleicht eine Idee und ein mögliches Geschäftsmodell abgeleitet haben und sich auf den Weg gemacht haben, diese Idee zu verwirklichen. Alles dafür eingesetzt haben, vielleicht sogar ihr persönliches Schicksal und das persönliche Vermögen. Und all das geschieht nicht von heute auf morgen. UnternehmerInnen wissen, wie viel Zeit, Mühe, Schweiß, Tränen, Angst, Erfolg und Misserfolg in den meisten Gründungen stecken oder sich dahinter verstecken, denn zumeist sehen wir nur die Erfolgsgeschichten. Die Abgründe bleiben im Dunklen verborgen. Natürlich hängt es auch ein Stück weit ab, welche Rechtsform gewählt wurde, etc. Dennoch haben eben auch Unternehmen eine Art “DNA”, wo es gerade bei sehr traditionell gewachsenen Unternehmen bzw. den klassischen Klein- und Mittelunternehmen (KMUs) im DACH-Raum ebenso schwierig bis an einer gewissen Grenze fast unmöglich ist, diese “DNA” zu verändern. Eher werden diese geschlossen, verkauft oder werden im schlimmsten Fall rechtlich abgewickelt. “Nichts ist für die Ewigkeit”. Wir kennen den Lauf der Natur – und dennoch ist er oft schwer zu akzeptieren.

Woher kommen wir – unsere Historie? Ebenso wie es für einzelne Menschen unterschiedlich schwierig ist, sich selbst zu verändern, anzupassen oder weiterzuentwickeln, ist es für Arbeitsorganisationen ebenso unterschiedlich herausfordernd. Start-ups beispielweise haben noch keine langjährig gewachsenen Strukturen, sondern zeichnen sich durch die visionären GründerInnen aus, deren Fokus auf der Marktreife einer innovativen Idee ruht. Transformation ist hier noch kein Thema, weil es ja nicht darum geht, etwas Bestehendes oder Gewachsenes radikal zu zerstören und neu/andersartig zusammenzusetzen, sondern vielmehr überhaupt etwas Beständiges zu erschaffen. Historie muss de facto überhaupt erst entstehen. Diese Start-ups müssen am Markt erst Fuß fassen und sich verwurzeln, was einen langen Atem und Zeit benötigt. Ähnlich den einteilbaren Lebensphasen von Menschen (z.B. 0-7 Jahre Kleinkind, 7-14 Jahre Kind, 14-21 Jahre Jugendlicher, usw.) ist es bei Arbeitsorganisationen – die häufig auch 7-Jahrespläne als längerfristige Strategien ausweisen – natürlich in den ersten Zyklen eher einfach, sich an heutigen und künftigen Anforderungen des Marktes, und damit an den (potenziellen) KundInnen auszurichten und laufend anzupassen. Jahrzehntelang gewachsene Unternehmen, die häufig damit verbunden auch eine gewisse Größe aufweisen, Krisen überwunden haben, Märkte erobert oder wieder verlassen haben, etc., sind zumeist tief in ihrem Umfeld verwurzelt und verflochten. Auf den ersten Blick meist gar nicht überschaubar, wie weit verflochten und einflusshabend. Sie haben eine Stabilität und Routinen entwickelt, die aber auch auf eine gewisse Weise träge und weniger leicht anpassungsfähig machen. Damit schafft eine langjährige Historie Vorteile wie auch Nachteile – vor allem in sehr volatilen und kreativen Phasen. Wenn diese Urgesteine aber einmal zerfallen oder wegbrechen, hinterlassen Sie große Löcher. Temporär natürlich sehr schmerzlich, am langen Ende aber auch ein großes Feld an Potenzial für neue Unternehmen…
Kernkompetenzen in Transformationsphasen – hinderlich oder essentiell? Die ist wohl eine berechtigte Frage, zumal im Vorfeld zu klären ist, was eigentlich “Kernkompetenzen” sind. Beginnend beim kleinsten sozial-komplexen System “Mensch” würde man sagen, es handelt sich um schwer imitierbare, ganz besondere Fähigkeiten, die ein Mensch als Potenzial von klein auf hat. Diese Potenzial wird mittels Training, Weiterentwicklung, Perfektionierung gehoben und macht meist einen beobachtbaren Unterschied zu anderen Personen. Vielleicht spielt ein Mensch besonders virtuos Klavier, ist besonders sportlich, spricht fließend viele Sprachen, kann besonders gut mit Menschen arbeiten, etc.
Arbeitsorganisationen bauen ebenso spezielle Kernkompetenzen auf, welche sie beobachtbar von Mitbewerb abheben, weshalb KundInnen bei diesen Unternehmen kaufen, z.B. weil sie von den Produkten oder Leistungen einen besonderen Nutzen haben. Hier geht es nicht um den Preis, sondern eben um einen besonderen Sinn/Nutzen, der einen Bedarf oder vielleicht auch nur ein Bedürfnis von KundInnen befriedigt. Das könnte z.B. ein spezielles technisches Verfahren sein, welches ein Produkt beobachtbar von anderen seiner Art abhebt, eine Serviceleistung, welche kein Mitbewerb in dieser Art erbringen kann, etc. Damit lässt sich leicht erahnen, dass ein Technologie- oder Paradigmenwechsel der Gesellschaft gar nicht so einfach für diese Unternehmen umzusetzen ist. Manchmal kann man mit vorhandenen Kernkompetenzen auch gänzlich neue Geschäftsfelder erschließen, andere Produkte herstellen bzw. Dienstleistungen erbringen, aber eben auch nur manchmal. Denn oftmals können oder wollen sich EigentümerInnen dieses “neue Unternehmen” gar nicht vorstellen – zu anstrengend war der Aufbau der bisherigen Kernkompetenzen oder Marktposition, zu risikoreich scheint oftmals eine Transformation auf den ersten Blick und zu groß sind noch die Vorzüge des Erschaffenen. Und manchmal ist es einfach nur die Macht der Gewohnheit, die eben auch eine Trägheit in Veränderungsphasen verursacht. Teilweise hilfreich, weil man nicht immer jede neue Chance ergreifen kann/soll, manchmal bis hin zu “tödlich” für ein Unternehmen, wenn dieses aufgrund Eigentümerdifferenzen seine Wettbewerbsfähigkeit verliert oder es zerfällt. Und ja, es “menschelt” in Organisationen ganz stark und es wird von Führungskräften und Schlüsselkräften mit aller Anstrengung versucht, einen guten Status Quo aufrecht zu erhalten, besonders in erfolgreich gewachsenen Strukturen…was ein Stück weit einfach menschlich ist. In Arbeitsorganisationen arbeiten viele verschiedenartige Menschen, mit ganz unterschiedlichen Motiven und Treibern, in ganz unterschiedlichen Lebensphasen und auch mit ganz unterschiedlichen Historien. Das merkt man in radikalen Veränderungsphasen am stärksten, denn in diesen wird eine für Viele schmerzliche Tatsache transparent, die der verstorbene Ökonom Prof. Knut Bleicher knapp aber treffend wie folgt formuliert hat:
“Wir arbeiten in Strukturen von Gestern mit Methoden von heute an Strategien für Morgen vorwiegend mit Menschen, die die Strukturen von gestern geschaffen haben und das Übermorgen in der Unternehmung nicht mehr erleben werden.”


“Am Ende ist Alles gut, und ist es noch nicht gut, ist es nicht das Ende.” Auch dieser bekannte Ausspruch hat mit Sicherheit eine gewisse Richtigkeit in der gesamtheitlichen Betrachtung. Der Hund an der Sache liegt in der Dreidimensionalität und damit im Raum/Zeit-Faktor. Jeder einzelne Mensch schreibt vom ersten Lebenstag an seine persönliche Geschichte, jedes Unternehmen seit der Gründung. Wenn man an dieser Stelle an das obige Zitat von Prof. Bleicher anschließen möchte, so ist es wenig verwunderlich, das gerade z.B. in Familienbetrieben oder auch Höfen oder in landwirtschaftlichen Betrieben die Übergabe an die nächste Generation besonders schwerfällt, und oftmals sehr zögerlich bis hin zu spät erfolgt. Natürlich fällt es Jedem schwer, wenn man “gestern” etwas Erfolgreiches geschaffen hat, loszulassen und es einer natürlich erfolgenden Transformation freizugeben. Da ist es oftmals für die Nachfolgegeneration einfacher, loszulassen und etwas Neues aufzubauen. Für die amtierende Generation besteht häufig gefühlt auch gar nicht die Notwendigkeit, Etwas massiv zu verändern oder gar in eine neue Richtung zu transformieren zu müssen. Damit wird häufig die Bedeutung des Wortes “Notwendigkeit” übersehen – also ein Erkennen der Not, die es (ab)zuwenden gilt!
Außerdem haben Systeme (wie z.B. das System Mensch/Organismus, Arbeitsorganisationen, etc.) die Eigenschaft, autopoietisch im Sinne von selbsterhaltend zu sein. Damit agieren sie auch ein Stück weit selbstgesteuert und bis zu einem gewissen Grad “fehlerverzeihend”. Gerade in Erfolgsphasen vor einer drohenden Stagnation will man sich doch nach der langen und riskanten Ideenfindungs- bzw. Entwicklungsphase den Erfolg genießen und sich zurücklehnen, solange Alles läuft. Das wäre aber gerade die optimale Phase, um die nächste Weiterentwicklung oder eine Transformation in eine nächste Sphäre vorzubereiten, ehe man in eine Notlage kommt, und eine radikale Transformation einleiten muss. Vergleichbare Bilder wären in der Medizin eine vorbereitete, geplante Operation versus eine Notoperation zwecks Überlebens. Das realisiert man aber leider zumeist erst, wenn man eine “Notoperation/radikale Transformation” gerade mal so noch überlebt hat. “Aus Schaden wird man klug.”
Warum wir oftmals nichts verändern, solange Alles noch “gut läuft” ist eben unserer Historie geschuldet, den Grundeigenschaften von Systemen, aber auch der fehlenden Notwendigkeit und Orientierung der Neuausrichtung geschuldet. Wir sehen/hören dies in unserer Pandemiephase sehr deutlich. “Man hätte doch schon längst tun müssen…”, “es ist fünf vor zwölf”, usw. Richtig, aber solange die ErLÖSUNG im Sinne einer “schönen, neuen Zukunft” nicht klar am Horizont aufscheint, ist das Einleiten des Manövers Transformation oftmals nicht vorstellbar oder zumindest sehr riskant. Zurecht aus Sicht vieler UnternehmerInnen, die versuchen, basieren auf der bisherigen Historie und Kernkompetenzen noch profitable Jahre der Unternehmensgeschichte abzuliefern, Arbeitsplätze aufrecht zu erhalten, vorhandene Ressourcen und Kompetenzen nutzenstiftend an die Kundschaft zu bringen…aber auch wissend um die tickende Uhr. Es ist mit Sicherheit menschlich verständlich einfacher, auf eine erfolgreiche Historie zurückzublicken, als in eine vielleicht noch finstere, nicht sichtbare Zukunft am Horizont zu starren und zu warten, dass das dicke Ende kommt, das mehr bedrohlich und schlecht scheint als “die gute alte Zeit”. Hier liegt aber der Denkfehler: Eine zeitgerecht vorbereitete Transformation ist nicht das Ende, wie wohl mit Sicherheit nicht für Alle und Jeden gut, aber dafür auch die Chance für ein neues Kapitel, damit an unserem persönlichen Ende doch Alles irgendwie gut wird!
Auf den Hund gekommen – aller Anfang ist schwer. Wir sitzen mit Sicherheit nicht Alle im gleichen Boot, wie es so oftmals zitiert wird, aber wir segeln derzeit weltweit durch viele ähnliche gelagerte Stürme und haben eine raue See. Jede Person, jede Organisation und jedes System ist betroffen. Wir haben ausgelöst aber nicht verursacht durch die weltweite Pandemie eine neue Transformationsphase beruhend auf den Entwicklungen des Informations- und Kommunikationstechnologiezeitalters. Diese Phase ist für Alle neu, aber dass es diese Phasen rund alle 70 Jahre wiederkehrend gibt, hat schon Nikolai Kondratjew als sowjetischer Wirtschaftswissenschaftler und Vordenker im Bereich Konjunkturtheorien mit seiner Theorie der “langen Wellen” ausführlich dargelegt. Demnach haben wir rund alle 70 Jahre historisch nachvollziehbar mit solchen Transformationsphasen zu kämpfen, seien es Weltkriege, industrielle Revolutionen, etc. In welchem historischen Zeitabschnitt wir wo geboren werden, können wir uns nicht aussuchen und damit auch nicht, in welcher Lebensphase uns diese weltweiten Transformationen in welchem Ausmaß treffen. Historie hilft uns aber, Funktionsweisen zu verstehen, die in anderer Art oder anders angetrieben in allen Veränderungsphasen anzutreffen sind. Es muss beispielweise immer etwas Bestehendes “zerstört” werden, und andersartig mit neuen Elementen wieder zusammengesetzt werden. “Des einen Freud’, des anderen Leid.” Wir stehen am Beginn dieser Transformationsphase und erleben damit teilweise den schmerzhaften Abschnitt, wenn wir auf eine gute alte Zeit zurückblicken können – wiewohl mit Sicherheit auch nicht immer Alles gut war – die jetzt zu Ende zu gehen scheint. Andere wiederum, die mit Leben erst anfangen, werden sich über das Potenzial freuen, welches nach Ende der Transformationsphase auf sie wartet – in welcher Form auch immer. Gemein ist uns Allen, dass diese Transformation neuartig ist. Damit ist schwer abzuschätzen, wie dann das “Ende der Transformation” aussehen wird, und ob dann Alles gut sein wird. Klar ist, dass wir erst am Anfang stehen, und derzeit mit Sicherheit Vieles nicht gut ist, aber dafür Vieles ziemlich schwer ist.
Als SYSTHAT beschäftigen wir uns daher mit der Forschung und Entwicklung von Modellen und Methoden, die sowohl einzelnen Personen oder Organisationen jeder Art helfen können, ihre speziellen Herausforderungen der jeweiligen Transformation so gut wie möglich zu bewältigen. Manchmal bedarf es einfach einer externen Sichtweise und eines gemeinsamen Dialogs, um zeitgerecht notwendige Transformationsschritte zu erkennen und geplant umzusetzen, um ein “notgedrungenes Herumreißen am Steuerrad in letzter Sekunde” zu vermeiden. Ein anderes Mal steckt man fest in der “Transformationsschleife” und es bedarf einem neuen Schwung und Input von außen, um die Schleife durchzutauchen und in der gewünschten neuen Richtung wieder aufzutauchen. Vielfach sind es auch die besonders in Transformationsphasen stark geforderten Führungskräfte, die Austausch und Diskurs suchen – zumal gerade diese Gruppe Gefahr läuft, sich selbst mittels moderner Prozessen zu dezimieren.
Wir bitten daher gerade Sie als Führungskräfte, an unserer laufenden Umfrage zum Thema “Chancen und Grenzen von Agilität und lateraler Führung in Arbeitsorganisationen mit damit verbundenem Konflitkpotenzial” im Rahmen meiner Masterthesis teilzunehmen, damit wir Ihre Herausforderungen und Sichtweisen besser verstehen können – vielen Dank im Voraus!
Mehr dazu unter www.systhat.com oder mittels direkter Teilnahme via Survey Monkey:
Deutsch: https://de.surveymonkey.com/r/Umfrage_Transformation
Englisch: https://www.surveymonkey.de/r/Survey_Transformation_EN
In unserem nächsten Blog mit Teil 2 der Pentalogik stellen wir uns die Frage: Wohin gehen wir?
Let’s SYSTHAT!
